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Willkommenskultur für Flüchtlinge

Würzburg – Für einen grundlegenden Wandel der Migrations-, Integrations- und Asylpolitik hin zu einer Willkommenskultur und Einwanderungspolitik hat sich der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Würzburg ausgesprochen. Mit überwältigender Mehrheit stimmten die Delegierten für ein entsprechendes Positionspapier des Vorstands.

Das Thema „Flüchtlinge und Asylbewerber“ war inhaltlicher Schwerpunkt der Frühjahrsvollversammlung im Exerzitienhaus Himmelspforten am vergangenen Wochenende. „Wir als Katholiken begrüßen ausdrücklich eine Einwanderung als Chance im Sinn einer Bereicherung unserer Kultur. Es gibt in Deutschland und in Bayern vorbildhafte Initiativen, die zeigen, wie ein gutes Zusammenleben und eine aufmerksame, menschenwürdige Begleitung funktionieren können“, heißt es in der Erklärung.

Forderung: Transparentes Verfahren zur Festlegung von Länderquoten

Eine der darin enthaltenen Kernforderungen an die Verantwortlichen in Politik, Kirche und Gesellschaft ist, Flüchtlingen die gefahrenfreie und legale Einreise in die Europäische Union zum Beispiel per Schutzvisa zu ermöglichen und die Praxis der illegalen Zurückweisung sofort zu beenden. Statt des bisherigen so genannten Dublin-Systems, bei dem das Land zuständig ist, in dem die Flüchtlinge die EU betreten, solle ein transparentes Verfahren zur Festlegung von Länderquoten eingeführt werden. Zudem solle ein solidarischer Lastenausgleich innerhalb der EU eingeführt werden, heißt es im Aufruf des Diözesanrats weiter.

Mit dem Tagungsschwerpunkt beschäftigte sich der Diözesanrat auf vielfältige Weise: Am Freitagabend gab der Film „Von Menschen, die auszogen“, ein Projekt der Schweinfurter Alfons-Goppel-Berufsschule, einen Einblick in die zum Teil zermürbende Situation von Menschen, die auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag warten. Lehrerin Sabine Otter, Leiterin des Filmprojekts, und Viktor Lomakin, am Filmprojekt beteiligter Asylbewerber, berichteten von ihren Erfahrungen.

Aus juristischer Sicht blickte am Samstagmorgen der Würzburger Rechtsanwalt Michael Koch auf die Schwierigkeiten von Flüchtlingen. So sei wegen der äußerst schleppenden Bearbeitung erst im Mai 2014 das bayerische Kontingent zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien erfüllt worden. Den entsprechenden Beschluss habe die Innenministerkonferenz bereits im Dezember 2012 getroffen. Auch anerkannte Flüchtlinge haben laut Koch mit vielfältigen Schwierigkeiten zu kämpfen. So sei es den aus Syrien Entkommenen fast unmöglich, einen Nachzug von Familienangehörigen aus Flüchtlingslagern in der Türkei fristgerecht zu stellen. „Der Antrag kann nur in den deutschen Vertretungen in der Türkei gestellt werden. Das dortige elektronische Terminvergabesystem aber wurde gehackt, die Termine wurden meistbietend verkauft. Auf regulärem Weg sind die frühestmöglichen Termine im Januar 2016 zu bekommen.“

Flüchtlinge müssen nach der Ankunft in Deutschland zum Teil mehr als neun Monate warten

Koch kritisierte, dass Flüchtlinge nach der Ankunft in Deutschland und der Meldung bei der Polizei zum Teil mehr als neun Monate warten müssten, ehe sie beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Gelegenheit erhielten, einen Asylantrag zu stellen. „Die Verkürzung des Arbeitsverbots auf drei Monate ab Asylantrag nützt daher nur wenig.“ Problematisch ist in den Augen des Rechtsanwalts auch, dass mit der Priorisierung von Anträgen aus Syrien und dem Irak andere Asylbewerber wie aus dem Iran zum Teil zwei Jahre und länger auf eine Entscheidung warteten.

Verschlimmert werde die von den Antragsstellern als belastend erlebte lange Bearbeitungszeit auch dadurch, dass es in Deutschland als einzigem EU-Land nach der staatlichen Anerkennung als Flüchtling ein zwingendes Widerrufsverfahren durch das BAMF gebe. Dieses überprüfe, ob es zwischenzeitlich im Herkunftsland eine geänderte Bedrohungslage gebe. „Tatsächlich führt nur jede 20. Überprüfung zum Widerruf, und von diesen Widerrufen heben die Verwaltungsgerichte mehr als ein Drittel auf.“

Wenig sinnvoll sei auch die Vorgabe, dass bei Asylbewerbern nur notfallmedizinische Behandlung erfolgen dürfe. So dürfe der Zahnarzt bei Zahnschmerzen den Flüchtlingen nur Schmerzmittel verabreichen oder alternativ den Zahn ziehen, auch wenn dieser mit geringem Aufwand erhalten werden könne. Eindringlich warnte Koch vor Kirchenasyl, wenn abgelehnte Asylbewerber in das EU-Land abgeschoben werden sollen, das sie als erstes in der EU betraten. „Das Bundesamt meldet diese Personen dann als untergetaucht. Damit verlängert sich automatisch die Frist, innerhalb derer sie abgeschoben werden können, auf 18 Monate.“

Warnung vor „emotionalen Rattenfängern“ wie Pediga

Zum Auftakt der Frühjahrsvollversammlung hatte Bischof Hofmann am Freitag die Bedeutung der Ehrenamtlichen für die Kirche im Bistum Würzburg betont. Diözesanratsvorsitzender Karl-Peter Büttner warnte in seinem „Bericht zur Lage“ vor „emotionalen Rattenfängern“ wie Pediga. Eindringlich appellierte Büttner an die Mitglieder des Diözesanrats, Papst Franziskus bei seinem Einsatz für die Reform der Kirche im Innersten zu unterstützen. „Wir dürfen nicht nur abwarten und nach Rom schauen, sondern sollten ganz konkret in unserem Land daran arbeiten, dass der Ruf des Papstes nach einer Kirche der Barmherzigkeit und der radikalen Zuwendung zu denen, die in Kirche und Gesellschaft am Rand stehen, Wirklichkeit wird.“

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