Messgewand unter der Schutzhaube

Messgewand unter der Schutzhaube

Würzburg – Vorbereitungen für die Wiedereröffnung des Würzburger Domschatzes an seinem neuen Standort im Kiliansdom neigen sich dem Ende entgegen. Seit rund neun Monaten ist der alte Domschatz in der Plattnerstraße geschlossen. Doch hinter den Kulissen wurde mit Hochdruck gearbeitet.

Die Ausstellung wurde neu konzipiert, neue Vitrinen gebaut, manches Ausstellungsstück gereinigt und restauriert. Nun ist es so weit: Die Kunstwerke können umziehen. Burkard Hauck von der Haßfurter Firma Hauck.Modelle und seine Mitarbeiter sind dafür verantwortlich, dass alles unbeschadet an seinen neuen Platz kommt – vom robusten Messkelch bis zum empfindlichen Messgewand. Am Freitag, 26. Juni, wird der neue Domschatz offiziell eröffnet.

Elfenbeinfarbene Seide, reich mit gestickten Blumenranken und Goldborten verziert: Fast 250 Jahre alt ist das Messgewand, auch Kasel genannt, das im alten Domschatz in der Vitrine zum Thema „Domkapitel“ bewundert werden konnte. Burkard Hauck betrachtet es einen Augenblick lang konzentriert, streift sich weiße Schutzhandschuhe über und öffnet die Tür der Vitrine. „Ich nehm‘ die Kasel, Du den Sockel.“ Behutsam greift er von oben und unten in das Gewand, das auf einer Halterung steckt, und hebt es langsam aus der Vitrine. Sein Mitarbeiter Oskar Lützel nimmt den Sockel. Vor der Vitrine setzt Hauck die Kasel wieder auf ihren Sockel und holt eine Schutzhaube aus weißem Papier. „Das ist spezielles Verpackungspapier aus dem Depot des Museums“, erklärt er. Gemeinsam heben sie die Haube über das Messgewand und ziehen sie vorsichtig herunter. Lützel hebt das verpackte Gewand hoch und trägt es über die Plattnerstraße und durch einen Hintereingang in den neuen Domschatz. Der Wind zerrt am Papier. Doch alles hält, und Minuten später steht das Messgewand an seinem neuen Platz.

Erst vor wenigen Tagen haben Burkard Hauck und seine Mitarbeiter damit begonnen, die Kunstwerke aus dem alten Domschatz zu verpacken. Die meisten Vitrinen sind schon leer. In der Mitte des Raums steht ein Tisch, übersät mit Werkzeug. Große Rollen mit Papier und Luftpolsterfolie lehnen in den Ecken. Auf dem Boden liegt ein gut zweieinhalb Meter langer Bischofsstab, eingewickelt in mehrere Lagen Luftpolsterfolie und fest verschnürt mit Paketklebeband. In einer Vitrine wartet eine Reihe von mehrfach verknoteten weißen Papierhüllen, auf denen farbige Post-its kleben, auf ihren Umzug – was darunter steckt, lässt sich nicht erahnen. Die Farben helfen Hauck und seinem Team dabei, die Stücke im neuen Domschatz ihrem richtigen Platz zuzuordnen.

Die Hauben, mit denen die Bilder beim Transport geschützt werden, sind aus einem speziellen Verpackungsmaterial passgenau angefertigt. (Foto: Kerstin Schmeiser-Weiß)
Die Hauben, mit denen die Bilder beim Transport geschützt werden, sind aus einem speziellen Verpackungsmaterial passgenau angefertigt. (Foto: Kerstin Schmeiser-Weiß)

Noch bevor der alte Domschatz für immer seine Türen schloss, hatten die Vorbereitungen für den Umzug begonnen. So mussten beispielsweise neue Vitrinen für die Ausstellungsstücke gebaut werden, die künftig von modernen LED-Lämpchen beleuchtet werden. Auch die Halterungen für die einzelnen Stücke müssen teilweise neu angefertigt werden. „Wir wollen die Exponate so zeigen, dass man möglichst wenig von den Halterungen und Fixierungen sieht“, sagt Hauck und öffnet als Beispiel eine Schachtel mit Mitren. Neben ihnen liegen Ovale aus Karton. „Das steckt darunter, damit sie ein bisschen stehen können“, erklärt er die selbst angefertigte Konstruktion. „Sie sind aus säurefreiem Museumskarton.“

Die meisten Ausstellungsstücke können trotz ihres Alters relativ problemlos umgezogen werden. „Am empfindlichsten sind sicher die archäologischen Stücke“, sagt Dr. Wolfgang Schneider, stellvertretender Kunstreferent der Diözese Würzburg und Kurator des neuen Domschatzes. Schwert, Bischofsstab und Ring des Gerhard von Schwarzburg (1372-1400) werden wohl mitsamt den Halterungen verpackt werden, an denen sie befestigt sind. Verzichten müssen die Besucher künftig auf die drei Lichtampeln, die bislang von der Decke hingen – die neuen Räume sind nicht hoch genug. Dafür kommen einige großformatige Gemälde hinzu, für die es bislang keinen Platz gab. Zum Beispiel „Die Priesterweihe“. „Es ist ein seltenes Beispiel für eine Darstellung, auf der ein Bischof bei einer Weihehandlung eine Locke abschneidet. Und wir haben eine solche Schere aus dem Besitz von Bischof Adam Friedrich von Seinsheim“, erklärt Schneider. „Das sind Bilder und Objekte, anhand derer man vieles erklären kann.“

Im neuen Domschatz fällt der Blick zur Rechten bereits auf seidene Pracht: Auf fast zwölf Metern Länge reihen sich aufwendig gearbeitete Messgewänder aneinander. Von der hinteren Wand blicken die Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan seit einer professionellen Reinigung ein wenig strahlender als zuvor. „Die meisten Ausstellungsstücke waren grundsätzlich in Ordnung“, sagt Schneider. Trotzdem habe man alles nochmals genau angesehen. So wurden bei einigen Messgewändern lose Fäden befestigt, eine Grabplatte von Tilman Riemenschneider wurde gereinigt und kleine Risse gekittet. Noch liegt überall Werkzeug und Verpackungsmaterial, doch lässt sich schon erahnen, wie der neue Domschatz einmal wirken wird. „Jeder, der hier hereinkommt, sagt, dass es ein schöner Raum ist“, sagt Schneider.

Die Vitrine, in der Hauck und Lützel die Kasel platziert haben, füllt sich mit Messbüchern, einem Kreuz, einer Mesnerglocke. Das Thema dieser Vitrine werde „Gottesdienst“ lauten, sagt Schneider und positioniert ein Dutzend Chormantelschließen auf einem Podest, während Hauck mit der Hand sachte gegen die anderen Podeste klopft, um sie kerzengerade auszurichten. Dann hält Schneider ein Bild probeweise in verschiedenen Höhen an die Rückwand der Vitrine. „Im gleichen Abstand, den das Kreuz nach oben hat“, beschließt er. Zufrieden betrachten die Männer das fertige Werk. Schneiders Blick fällt auf das Messgewand. „Oh dieses Streiflicht! Man sieht jede Falte“, ruft er lachend. Das lässt sich leicht ändern. Millimeterweise justiert Hauck die LED-Beleuchtung. Bis das Licht sanft und gefällig auf den matt glänzenden Stoff scheint.

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