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Neue Forschungsgruppe genehmigt

Würzburg – „Lokalität ist überall!“: Unter diesem Motto könnte eine neue Forschungsgruppe an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) stehen, die jetzt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) genehmigt wurde. Ihr Name: „Lokale Selbstregelungen im Kontext schwacher Staatlichkeit in Antike und Moderne“.

Sprecher ist Professor Rene Pfeilschifter, Inhaber des Lehrstuhls für Alte Geschichte. Daran beteiligt sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlichster Fachdisziplinen der Universitäten Würzburg, Leipzig und Bayreuth sowie des Deutschen Archäologischen Instituts.

Was mit „Lokalität“ gemeint ist? „Die meisten Menschen halten sich vorzugsweise an einem Ort auf, dem Platz, den sie kennen, an dem sie ihre Wohnung haben, wo sie leben. Dort interagiert der einzelne mit anderen Menschen, über die eigene Familie hinaus. Zu diesem Zusammenleben gehören sowohl soziale Aktivitäten als auch bestimmte Formen der Selbstregelungen“, beschreibt Rene Pfeilschifter den Hintergrund des Forschungsprojekts.

Ein starker Staat bremst lokale Regelungen

Konkret bedeutet dies: Menschen engagieren sich im Nachbarschaftsverein, der sich um die Verschönerung der Wohnsiedlung kümmert, sie gehören zur lokalen Feuerwehr oder sie sind Mitglieder einer Genossenschaftsbank. Dies alles sind Aufgaben, die im Prinzip auch der Staat übernehmen könnte, die er teilweise, je nach Land, Region oder Ort, bereits übernommen hat. Und je stärker der Staat ausgeprägt ist, desto weniger Platz bleibt für lokale Selbstregelungen. So lassen sich die Verhältnisse in den westlichen Gesellschaften der Gegenwart ganz gut beschreiben. Im Umkehrschluss gilt aber: Je schwächer die staatliche Durchdringung, desto ausgeprägter sind die Selbstregelungen. Solche Gegebenheiten sind typisch für moderne Gesellschaften außerhalb

Europas und Nordamerikas, aber auch für solche in der vormodernen Vergangenheit unseres Kontinents. 

Das zumindest ist die These der an dem Forschungsprojekt Beteiligten, die sie in den kommenden drei Jahren überprüfen werden. Die Gruppe verfolgt dabei einen doppelten Ansatz: „In vier unserer Teilprojekte werden wir das Verhältnis von lokaler Selbstorganisierung und schwacher Staatlichkeit in der Gegenwart untersuchen – beispielsweise in Burkina Faso, in Brasilien und in Mosambik“, erklärt Pfeilschifter. Weitere drei Teilprojekte erforschen die Bedingungen in der Vormoderne – beispielsweise in Zentralanatolien von der Eisenzeit bis zum Ende der römischen Epoche oder im Judäa des zweiten Jahrhunderts vor Christi Geburt.

Beteiligte aus vielen geistes-und sozialwissenschaftlichen Disziplinen

Dementsprechend groß ist die Bandbreite der beteiligten Fachdisziplinen in der neuen Forschungsgruppe: Mit dabei sind Vertreterinnen und Vertreter aus Geschichte, Archäologie, Theologie, Politikwissenschaft, Ethnologie, Sinologie und Geographie. Anhand von Fallbeispielen aus dem Mittelmeerraum der Antike und dem Globalen Süden der Gegenwart wollen sie eine vergleichende Analyse und typologische Erfassung lokaler Regelungsmuster vornehmen, um allgemein gültige Aussagen jenseits konkreter Zeiträume und Kulturen treffen zu können. „Wir fragen einerseits, mit Blick auf das Lokale: Wer regelt? Was, wie, wo und warum wird geregelt? Andererseits wollen wir wissen: Wie sind die Beziehungen zwischen lokalen Selbstregelungen und staatlicher Regulierung gestaltet?“, erklärt Pfeilschifter.

Die Verknüpfung beider Ebenen sei der besondere Ansatz der Forschungsgruppe. Der Blick auf die Wechselbeziehungen zwischen lokaler Selbstorganisierung und staatlicher Regulierung soll es ermöglichen, die diversen Selbstregelungen sowie die Akteure und Akteurskonstellationen auf lokaler Ebene präzise zu charakterisieren. Der Vergleich sei das „methodische Herzstück“ dieses Vorhabens. „Der Vergleich von lokalen Selbstregelungen über Kontinente und Epochen hinweg, gerade über die letztlich als gar nicht so wichtig erscheinende Grenze zwischen Vormoderne und Moderne, schärft das Auge für Muster menschlicher Gemeinschafts- und Gesellschaftsbildung“, sagt Pfeilschifter.

Forschungsgruppen der DFG

Forschungsgruppen der DFG ermöglichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sich aktuellen und drängenden Fragen ihrer Fachgebiete zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren. Ihre Förderdauer beträgt grundsätzlich zweimal drei Jahre. Für die ersten drei Jahre erhält die Forschungsgruppe „Lokale Selbstregelungen im Kontext schwacher Staatlichkeit in Antike und Moderne“ 2,5 Millionen Euro. Darüber hinaus hat sie eine Anschubfinanzierung durch das Emil-Hilb- Programm erhalten in Höhe von 100.000 Euro. Dieses Programm der JMU hat das Ziel, forschungsstarke Bereiche bei der Vorbereitung und Durchführung kooperativer Projekte zu unterstützen.


Bild: Symbolbild Universität Würzburg (Foto: Universität Würzburg)

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