Website-Icon  wuerzburg24.com

ADHS: Weltweit größte Studie gestartet

ADHS: Weltweit größte Studie gestartet. Blick auf das Gebäude der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Würzburg (Foto: Universitätsklinikum Würzburg)

Blick auf das Gebäude der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Würzburg (Foto: Universitätsklinikum Würzburg)

ADHS-Patienten stehen im Mittelpunkt einer neuen, bundesweiten Studie. Daran beteiligt sind auch Mediziner und Psychologen der Würzburger Kinder- und Jugendpsychiatrie. Ziel ist es unter anderem, Merkmale zu identifizieren, die eine optimale, maßgeschneiderte Therapie ermöglichen.

Sie sind hyperaktiv, äußerst impulsiv und können sich nur schwer über einen längeren Zeitraum hinweg konzentrieren: Menschen, die an der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung ADHS erkrankt sind. Entgegen der landläufigen Meinung, dass diese Krankheit in erster Linie Kinder betrifft, zählen auch Jugendliche und Erwachsene zu den Patienten.

Für sie gibt es mittlerweile ein breites Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten, angefangen bei Selbsthilfeprogrammen über Verhaltenstherapien und Trainings für Eltern und Erzieherbis hin zu Medikamenten. Allerdings ändern sich die Antworten auf die Frage, wie die beste Therapie aussieht, von Patient zu Patient und je nach Altersstufe.

Die weltweit größte Therapiestudie zu ADHS

In einer neuen, bundesweiten klinischen Studie wollen Wissenschaftler nun herausfinden, welche Therapieangebote in welcher Altersgruppe am besten helfen. Gleichzeitig suchen sie bei den Teilnehmern nach spezifischen Merkmalen, die in Zukunft eine Vorhersage darüber ermöglichen, welche Therapieform bei dem einen Patienten anschlägt, während sie einem anderen vermutlich nicht oder nur wenig hilft. Der Name der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Studie: ESCAlife.

„Es handelt sich dabei um die weltweit größte Therapiestudie zu ADHS“, erklärt Professor Marcel Romanos, Direktor der Uniklinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (KJPPP) in Würzburg. Rund 1.200 Patienten sollen daran teilnehmen – verteilt auf mehrere Studienzentren in Deutschland und auf eine Laufzeit von vier Jahren. Sie gliedert sich in vier, nach Altersbereichen getrennte Teilstudien mit speziell konzipierten therapeutischen Programmen für Vorschul- und Schulalter, für Jugendliche und für junge Erwachsene. Romanos und sein Team sind an drei dieser vier Teilstudien beteiligt; die Studie mit Jugendlichen im Alter von zwölf bis 15 Jahren koordinieren sie federführend.

Erhöhtes Risiko für zusätzliche Schwierigkeiten

„Was ist die ADHS-Kernsymptomatik und wie können wir den Betroffenen dabei helfen? Bei welchen Merkmalen handelt es sich um zusätzliche Schwierigkeiten, und was können wir dagegen tun?“: Mit diesen Worten beschreibt Marcel Romanos die zentralen Fragen von ESCAlife. Denn Menschen, die an ADHS erkranken, kämpfen häufig nicht nur mit Konzentrationsproblemen und ihrer Hyperaktivität. Sie tragen zusätzlich eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, an anderen psychischen Leiden wie beispielsweise einer Depression zu erkranken. Eine gesteigerte Aggressivität, Drogenmissbrauch sowie kriminelles Verhalten können weitere Folgen sein.

„Für all diese Fälle haben wir ein Therapieangebot an der Hand, das in der Regel relativ niedrigschwellig beginnt, beispielsweise mit angeleiteter Selbsthilfe“, erklärt Romanos. In diesem Fall erhalten die Patienten Broschüren und regelmäßige Anrufe, ohne dass sie vor Ort in der Klinik sein müssen. Erst wenn dieses Angebot keine Besserung der Symptomatik nach sich zieht, werden intensivere Maßnahmen ergriffen. „Adaptives gestuftes Design ‚Stepped Care‘“ heißt diese Vorgehensweise in der Fachsprache.

Die Suche nach der besten Therapie

In einem zweiten Schritt werden die Forscher untersuchen, welches dieser Angebote am besten hilft. „Dann verteilen wir die Studienteilnehmer nach dem Zufallsprinzip auf die verschiedenen Therapieverfahren, also beispielsweise Verhaltenstherapie, Neurofeedback oder eine zusätzliche Medikation, und kontrollieren anschließend das Ergebnis“, erklärt Romanos. Über all dem steht die Frage: Bringen diese Angebote tatsächlich einen zusätzlichen Nutzen?

So viele Therapieangebote, die sowohl vom Aufwand als auch von den Kosten her stark variieren: Da ist es aus Sicht der Patienten verständlich, wenn diese möglichst früh das für sie ideale erhalten wollen – von der Sicht der Therapeuten und der Krankenkassen ganz zu schweigen. Aus diesem Grund sind auch einige weitergehende Untersuchungen zentraler Bestandteil von ESCAlife. Beispielsweise werden die Wissenschaftler Blut- und Speichelproben der Studienteilnehmer entnehmen oder die Gehirnströme und -aktivität messen. Dort suchen sie nach Merkmalen, die eine Vorhersage darüber ermöglichen, welche Therapie bei wem am besten wirkt.

Der Einfluss der Gene

„Es ist mittlerweile bekannt, dass bestimmte Varianten von einigen Genen das Risiko erhöhen, an ADHS zu erkranken“, erklärt Romanos. Welche Rolle diese Varianten spielen, wenn eine Therapie anschlägt oder dies eben nicht tut, sollen die Untersuchungen zeigen.

So könnten beispielsweise Gene, die das Dopamin-System beeinflussen, Aufschluss darüber geben, ob ein Patient gut oder schlecht auf eine medikamentöse Behandlung anspricht. Ein anderes Gen, das den Prozess der neuronalen Plastizität mit regelt – also die Fähigkeit des Gehirns, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen – könnte dafür verantwortlich sein, dass eine Verhaltenstherapie anschlägt oder nicht. Und vielleicht lassen sich ja aus Gehirnströmen im EEG Hinweise darauf ablesen, ob Neurofeedback bei diesemPatienten wirkt oder nicht.

Wer an der Studie teilnehmen möchte, muss auf alle Fälle ein Kriterium erfüllen: Seine ADHS-Erkrankung muss als behandlungsbedürftig eingestuft sein. Er erhält dann eine ADHS-Behandlung, die den aktuellsten Stand der Wissenschaft in Deutschland widerspiegelt. Mit seiner Bereitschaft zur Teilnahme leistet er einen wichtigen Beitrag zur Forschung im Bereich ADHS.

Interessenten erhalten mehr Informationen über die Homepages der Studie und der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Dort können sie sich auch für die Teilnahme anmelden:


 

Foto: Blick auf das Gebäude der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Würzburg (Foto: Universitätsklinikum Würzburg)

Sei der Erste, der diesen Beitrag teilt!
Die mobile Version verlassen