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Zufluchtsorte für Arme und Bedürftige

Würzburg – „Unser täglich Brot gib uns heute“ steht in Messinglettern über der dunklen Holztür. Darüber zeigt ein Steinrelief die heilige Elisabeth von Thüringen, wie sie Brot an die Armen verteilt. Die Besuchergruppe aus Estenfeld hat die Elisabethstube der Erlöserschwestern erreicht.

Schwester Herigard Schneider und Schwester Helma Pangerl führen die ehemaligen Firmlinge samt Eltern, Geschwistern und anderen Interessierten in den Speiseraum. Vier lange Esstische stehen dort parallel aufgereiht, vor den Fenstern hängen geblümte Gardinen.

Der Besuch in der Elisabethstube ist die erste Station der etwas anderen Führung durch Würzburgs Innenstadt mit Franziskanerminorit Tobias Matheis. Interessierten Gruppen bietet der Ordensbruder den etwa dreistündigen Rundgang an, bei denen sie Ecken von Würzburg kennen lernen, an denen Passanten im Alltag meist achtlos vorbeigehen. Für Wohnungslose und Geringverdiener sind es jedoch wichtige Anlaufstellen in der Würzburger Innenstadt. So wie die Elisabethstube in der Bibrastraße.

Arbeitslose, Hartz-IV-Empfänger, Rentner, Asylbewerber – ganz unterschiedliche Menschen essen montags bis samstags in der Elisabethstube. Dort bekommen sie Tee, Kaffee, eine Suppe, eine Hauptspeise und – wer will – auch einen Nachschlag. Im Winter geben die Schwestern darüber hinaus warme Decken und Kleidung aus.

„Man sieht das den Leuten nicht an. Wenn jemand gut gekleidet hier hereinkommt, fragen ein paar der anderen schon: Hat der das denn nötig?“, sagt Schwester Herigard. Doch die Schwestern weisen niemanden ab. Zwischen 60 und 80 Personen nutzen täglich das Essensangebot. Obwohl die Zahlen schwanken, sei immer genug Essen für alle da. „Das kommt einem manchmal vor wie die Brotvermehrung im Neuen Testament“, erzählt Schwester Helma, die von ehrenamtlichen Helfern bei der Essensausgabe unterstützt wird. Essen an Bedürftige abzugeben, sei Tradition in den Klöstern. Auch bei den Franziskanern und anderen Ordensgemeinschaften in Würzburg erhielten Bedürftige eine Brotzeit, erklärt Bruder Tobias und führt die Gruppe weiter zur nächsten Station.

Kalter Zigarettenrauch liegt in der Luft. Weiße Holztische stehen im ganzen Raum verteilt. Am Tisch vorne rechts spielt eine Gruppe Männer Karten, in der anderen Ecke trinkt ein älterer Mann einen Kaffee. „30 Cent kostet eine Tasse. Alle anderen Getränke sind umsonst“, erklärt Michael Thiergärtner, Leiter der Würzburger Wärmestube. Die Einrichtung in der Rüdigerstraße bietet ihren Besuchern einen Platz zum Aufwärmen, Essen, Trinken und Telefonieren sowie einen Computer, um einen Job zu suchen. Weiter besteht die Möglichkeit, zu duschen und die Wäsche zu waschen. Viele sind gerade aus dem Gefängnis entlassen worden, suchen wieder Anschluss. Zwei Hauptamtliche, zwei Praktikanten und rund 25 Ehrenamtliche arbeiten in der Wärmestube. Dazu kommen acht Anwälte, vier Ärzte und eine Zahnärztin, die regelmäßig und kostenlos ihre Dienste anbieten. „Die meisten, die hierher kommen, haben eine Wohnung oder sind in Wohnheimen der Stadt untergebracht“, erzählt Thiergärtner.

Die Gruppe drängt sich an den Duschen und Waschräumen vorbei in den kleinen Behandlungsraum, wo sie einen Halbkreis um Bruder Tobias bildet. Drei Mal in der Woche kommt der gelernte Krankenpfleger in die Wärmestube, um Medikamente auszugeben, Wunden zu behandeln und zu beraten. An den anderen Tagen geht er in die Bahnhofsmission und das Obdachlosenheim in der Zellerau. Nach Absprache besucht er Patienten auch in ihren eigenen Wohnungen. „Ich versuche, überall mal zu sein“, sagt der Ordensmann, der seit rund zehn Jahren in der Straßenambulanz arbeitet, Bruder Tobias, hält ein Foto eines wunden Fußes hoch. Die Haut ist an manchen Stellen verkrustet, an anderen abgeschürft. Einige Frauen aus der Gruppe wenden den Blick ab. „Manchem Patienten kann ich noch so häufig sagen: Komm morgen in die Wärmestube, dann behandele ich das. Die kommen dann leider nicht, sondern erst wenn es wirklich nicht mehr geht.“ Die Eigenverantwortung liege bei den Patienten, findet Matheis. Solche extremen Wunden seien jedoch nicht die Regel. Oft helfe er mit Medikamenten aus, die sich die Patienten nicht leisten können. Die Straßenambulanz finanziert sich allein durch Spendengelder. Ärzte und eine Fußpflegerin unterstützen ihn mit ehrenamtlichem Engagement. Regelmäßig begleiten ihn auch Auszubildende der Rot-Kreuz-Klinik bei seiner Arbeit.

Die nächste Station liegt in der Wallgasse, nicht weit vom Würzburger Hauptbahnhof. Ab 18 Uhr öffnet dort die Kurzzeitübernachtung der ökumenischen Christophorus-Gesellschaft ihre Pforten. „Nicht jeder geht hier hin“, erklärt Bruder Tobias. Manche hätten Angst vor Gewalt oder befürchteten, bestohlen zu werden. Die Estenfelder Besucher setzen sich an die Tische im Speiseraum. Aschenbecher stehen auf jedem Tisch; dazu Tassen, Salz, Pfeffer und eine Schüssel mit Orangen. „Das Haus ist nur für Männer. Frauen wenden sich an die Bahnhofsmission oder die Oberzeller Franziskanerinnen“, sagt Matheis. In der Wallgasse können die Männer nicht nur die Nacht verbringen, sondern bekommen auch Beratung und Informationen zu weiteren Einrichtungen.

Jugendliche ab 14 Jahre finden direkt neben dem Bahnhof eine Anlaufstelle: das „Underground“. Vor dem Kellereingang wartet schon Streetworkerin Sarah Pletschacher auf die Gruppe. „Keine Drogen, keine Gewalt“ steht an der Wand. „Das sind unsere Grundregeln hier“, erklärt Pletschacher und führt die Gruppe weiter in den Kellerraum hinein. Neben einer Tischtennisplatte steht ein Kicker, im Regal stapeln sich Jacken. In der Ecke lagern Säcke voll Tierfutter. „Viele, die hierher kommen, besitzen Hunde, Katzen, Ratten“, zählt die Streetworkerin auf. Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 bis 27 Jahren kommen ins Underground. Die meisten seien aber volljährig. Hier bekommen sie Informationen zu Schlafplätzen, Suchttherapien oder Schwangerschaftsberatung. Ganz praktische Hilfe bieten die Küche, in der die Jugendlichen selbst kochen, und ein Büro, in dem sie telefonieren und nach Arbeit suchen können. Pletschacher und ihr Kollege gehen in der Innenstadt auch direkt auf Jugendliche zu: „Wir treten als Vertrauenspersonen auf und helfen zum Beispiel bei Gängen zu den Ämtern.“

Auf der anderen Seite des Bahnhofs markiert ein rotes Kreuz auf einem gelben Querstreifen den Eingang zur Bahnhofsmission. Blinde, Gehbehinderte oder alleinreisende Kinder finden dort Hilfe. Im Winter können sich die Besucher aufwärmen, und Frauen ohne Unterkunft bekommen für eine Nacht sogar ein Bett. Auch Bruder Tobias ist Teil des ehrenamtlichen Teams in der Bahnhofsmission. Er hält einen alten Suppenteller hoch. Der Rost hat ihn zerfressen, Löcher und braune Stellen machen es unmöglich, daraus noch Suppe zu löffeln. Für den Franziskaner ist der Teller ein Symbol für die Leute, die ihm in seiner Arbeit begegnen, mit all ihren Verletzungen und Problemen. „Man erkennt immer noch, was es ist: ein Suppenteller. Genauso ist es mit den Menschen und ihren vielen Brüchen.“ Bruder Tobias und die anderen Helfer wollen ihnen auf Augenhöhe begegnen.

Alle Einrichtungen der ökumenischen Christophorus-Gesellschaft freuen sich über ehrenamtliche Helfer und Spenden. Nähere Informationen unter Telefon 0931/3224151, Internet www.christophorus-wuerzburg.de. Weitere Informationen zur Elisabethstube der Erlöserschwestern gibt es unter Telefon 0931/390140.


Bild: 60 bis 80 Personen kommen jeden Tag in die Elisabethstube zum Essen. Die wenigsten von ihnen sind obdachlos. (Foto: Christoph Niekamp / POW)

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