Würzburg gedenkt am Volkstrauertag Opfern der Weltkriege -  wuerzburg24.com

Würzburg gedenkt am Volkstrauertag Opfern der Weltkriege

Würzburg – Die Nacht des 16. März 1945 hat sich in Würzburgs kollektives Gedächtnis als eine Nacht des Entsetzens eingebrannt. Der Bombenangriff fast schon gegen Ende des Zweiten Weltkriegs setzte die Stadt in Brand. So gut wie jeder Bürger verlor in diesem grausamen Krieg, der von Deutschland ausgegangen war, Familienmitglieder oder enge Freude.

An alle Opfer der beiden Weltkriege und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erinnert der 1952 eingeführte „Volkstrauertag“. In Würzburg wurde der Volkstrauertag unter dem Thema „Krieg und Menschenrechte“ an mehreren Mahnmalen in der Stadt und den Stadtteilen und am Hauptfriedhof begangen. Zu diesem Anlass wurde die neu gestaltete Gedenkstätte „16. März 1945“ vor dem Hauptfriedhof eingeweiht und von Dekanin Dr. Edda Weise und Diakon Dr. Jürgen Vorndran gesegnet.

Ein Ort ohne Raum und Zeit

Fried Heulers 1954 geschaffenes Mahnmal einer Familie in Totenstarre steht inmitten eines Massengrabes: Rund 4.000 Männer, Frauen und Kinder, die bei der Zerstörung Würzburgs ihr Leben ließen, wurden dort bestattet. Ihre Namen waren lange Zeit im Gedenkraum zum 16. März lesbar – örtlich weit entfernt im Grafeneckart des Rathauses. Architekt Matthias Braun vollendet nun Fried Heulers Mahnmal am Hauptfriedhof, indem er mit Hilfe der alles überragenden Baumkronen und einer neuen Muschelkalkeinfassung für Sitzplätze und Glasstelen eine zugleich lichte wie auch abgegrenzte Gedenkstätte schuf.

Damit hebt er Fried Heulers Denkmal als Mittelpunkt hervor. Zugleich bietet die Gedenkstätte die Möglichkeit, sich niederzulassen und in Ruhe der Toten zu gedenken, die an dieser Stelle nicht mehr namenlos bleiben. Etwa 1.563 Namen der hier Beigesetzten sind bekannt; zu lesen sind deren Namen nun auf den 32 Glasstelen. Die Gedenkstätte spricht für sich selbst und hat sich zu einem würdigen Ort der Erinnerung ohne Raum und Zeit gewandelt. Diese würdige Atmosphäre spiegelte am Volkstrauertag auch das Vorlesen der Namen und das Mahnläuten der Nagelkreuzinitiative an der Gedenkstätte wieder.

„Heutiges Gedenken darf nicht folgenlos bleiben“

Oberbürgermeister Christian Schuchardt weihte die Gedenkstätte bei den Gedenkfeierlichkeiten des Volkstrauertages ein und gedachte der Würzburger, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben lassen mussten. Doch: „Immer weniger Menschen, die hier geboren wurden, haben noch persönliche Erinnerungen an Krieg und Diktatur und können diese an die nachkommenden Generationen weitergeben“, sagte er vor der Kranzniederlegung. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass das Unheil in Vergessenheit gerät, das zwischen 1933 und 1945 geschehen ist. Wir brauchen die Erinnerung daran, um aus ihr zu lernen und als Mahnung, alles zu tun, damit sich die Schrecken der Vergangenheit nicht wiederholen.“

Diese Mahnung sei heute aktueller denn jemals zuvor in der deutschen Nachkriegsgeschichte. „Menschenfeindliche Hetze, die namentlich in den sozialen Medien eine bisher nicht gekannte Breitenwirkung erzielt, eine anhaltend hohe Zahl von Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte, ein wachsendes Gefühl der Bedrohung unter jüdischen Bürgern und zuletzt der Einzug einer populistischen Partei in den Bundestag als drittstärkste Kraft – das alles sind Warnzeichen, die signalisieren, dass es mit Blick auf unsere Geschichte höchste Zeit ist, den viel beschworenen Anfängen zu wehren.“ „Unser heutiges Gedenken darf daher nicht folgenlos bleiben,“ forderte er auf. Denn „Erinnerungen sind Schlüssel nicht zur Vergangenheit, sondern zur Zukunft.“ Er erinnerte auch daran, dass die im Massengrab Beigesetzten wie Juden, Sinti und Roma, Behinderte, Kranke, Andersdenkende allesamt Opfer des Nationalsozialismus gewesen seien.

Angestoßen hat die Umgestaltung der Gedenkstätte Kulturreferent Muchtar Al Ghusain. Bei der Recherche zum Mahnmal von Fried Heuler stieß er auf Sitzungsunterlagen vom 3. Februar 1954. Damals beschloss der Stadtrat, dass die endgültige Gestaltung der Gedenkstätte einer späteren Zeit vorbehalten sein sollte. Jetzt, mit der umfangreichen Recherche der Namen der Toten und der behutsamen und ergänzenden Umgestaltung schließt sich der Kreis.

Gedenken an die Toten und Mahnung für die Zukunft

Während an der Gedenkstätte besonders der zivilen Opfer des Luftangriffs auf Würzburg gedacht wurde, waren zuvor ganz im Sinne des Volkstrauertages Kränze an weiteren Mahnmalen im Stadtgebiet und in den Stadtteilen zum Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft niedergelegt worden. Oberbürgermeister Christian Schuchardt, Bürgermeister Adolf Bauer, Bürgermeisterin Marion Schäfer-Blake, die Würzburger Stadträtinnen und Stadträte hielten Gedenkfeiern ab am Kriegerdenkmal im Husarenwäldchen, am Heldenfriedhof und im Israelitischen Friedhof.

Zum Gedenken an die Toten versammelten sich an der neu gestalteten Gedenkstätte auch der Präsident des Zentralrates der Juden Josef Schuster, die Mitglieder des Deutschen Bundestages Paul Lehrieder, Simone Barrientos Krauss, Andrew Ullmann, Georg Rosenthal als Mitglied des Bayerischen Landtags, Regierungspräsident Paul Beinhofer und Regierungsvizepräsident Jochen Lange auch in ihrer Funktion als Vertreter des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Armin Grein als stellvertretender Bezirkstagspräsident, Bezirksgeschäftsführer Oliver Bauer, Brigadegeneral Michael Podzus als Vertreter der Bundeswehr, Polizeidirektor Klaus Böhm, wie auch Vertreter des Bayerischen Roten Kreuzes, der beiden christlichen Kirchen, Fahnenabordnungen, Vereinen und Verbänden.

Im Israelitischen Friedhof gedachten zudem der Präsident des Zentralrats der Juden und Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Würzburgs, Josef Schuster, wie auch Vertreter der jüdischen Gemeinden Unterfrankens der Toten. Oberbürgermeister Christian Schuchardt erinnerte an dieser Stelle daran, dass von den 2.069 unterfränkischen Juden in Deutschland, wohl nur 60 den Holocaust überlebten. Am Samstag zuvor hatten die Stadträtinnen und Stadträte bereits an den Denkmalen in den Stadtteilen Unter- und Oberdürrbach, Lengfeld, Rottenbauer und Versbach Kränze niedergelegt.


Bild: Blick auf die neu gestaltete „Gedenkstätte 16. März 1945“ (Foto: Claudia Lother)

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