Internationaler Tag des Gedenkens an den Genozid an Sinti und Roma -  wuerzburg24.com

Internationaler Tag des Gedenkens an den Genozid an Sinti und Roma

Es kann nur eine kleine Geste sein. Aber diese kleine Geste bedeutet den Sinti und Roma, die heute in Würzburg leben, sehr viel. In Anwesenheit von Vertretern der katholischen, evangelischen Kirche, der israelitischen Gemeinde, der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland und des Verbandes Deutscher Sinti und Roma haben Bürgermeisterin Marion Schäfer-Blake und Silvana Schneeberger für den Landesverband Deutscher Sinti und Roma am Mahnmal am Paradeplatz Kränze zum Gedenken niedergelegt.

„Heute vor 72 Jahren wurde 2.897 Menschen in den Gaskammern von Auschwitz ermordet. Menschen, die sich nichts hatten zuschulden kommen lassen, nahm ein verbrecherischer Staat, nur weil sie der Volksgruppe der Sinti und Roma angehörten, das elementarste Menschenrecht, das Recht zu leben“, erinnerte Bürgermeisterin Marion Schäfer-Blake bewegt an den Völkermord. Auch aus Würzburg wurden Sinti in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert, nur vier von ihnen überlebten.

500.000 Sinti und Roma Opfer des Völkermordes

Ihre wenigen Angehörigen wiesen bei der Kranzniederlegung auf das Schicksal ihrer Familien hin. Silvana Schneeberger, Vorstandsmitglied des Verbandes Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Bayern, blickte zunächst tief betroffen auf ein neues, bedrückendes Kapitel der Menschheit, auf die Opfer der aktuellen Terroranschläge. Dann schlug sie die Brücke in die NS-Zeit, um exemplarisch das Leben des Würzburgers Karl Winterstein ins Gedächtnis zu rufen:

„Karl Winterstein hatte im Ersten Weltkrieg als Soldat gedient, und war auch in den Zweiten Weltkrieg eingezogen, bis er 1942 aus ‚rassepolitischen Gründen‘ aus der Wehrmacht entlassen wurde. Er trug noch seine Uniform, als er deportiert wurde und starb am 23. April 1944 im KZ-Auschwitz wie zahlreiche seiner Angehörigen.“ Am 2. und 3. August 1944 fand dann die „Räumung des Zigeunerlagers“ in Auschwitz statt. „Dieser 2. August 1944 hat sich tief in das kollektive Gedächtnis unserer Minderheit eingegraben“, so Silvana Schneeberger. Insgesamt fielen über 500.000 Sinti und Roma dem Völkermord der Nazis zum Opfer.

Marion Schäfer-Blake betonte: „Wir sind nicht für das verantwortlich, was damals geschehen ist. Aber wir haben die Verantwortung dafür, dass es sich nie mehr wiederholt. Deshalb dürfen wir nicht in Vergessenheit geraten lassen, was den Sinti und Roma angetan wurde und wie es dazu kommen konnte. Denn anders als die Opfer der Shoa wurden die ermordeten Sinti und Roma noch jahrzehntelang totgeschwiegen.“

Entschädigung erst nach Jahrzehnten

Erst 1982 erkannte die Bundesregierung offiziell den Völkermord an. Und von den Überlebenden, die oft dauerhaft an Leib und Seele verletzt worden waren, erhielten viele erst nach Jahrzehnten eine Entschädigung für das erlittene Leid. Auch heute noch dienten Vorurteile für eine Diskriminierung. Marion Schäfer-Blake griff eine Studie der Universität Leipzig aus dem Jahr 2014 auf, in der 50 Prozent der Deutschen der Aussage zustimmten: „Ich hätte Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten.“

Daher mahnte die Bürgermeisterin: „Wir alle sind aufgerufen, nicht zu schweigen, wenn Minderheiten verächtlich gemacht werden. Niemand darf tatenlos zusehen, wenn Menschen wegen ihrer Abstammung oder ihrer Herkunft ausgegrenzt oder angegriffen werden. Unser Erinnern darf nicht folgenlos bleiben!“ Der 2. August ist der „Internationale Tag des Gedenkens an den Genozid an den Sinti und Roma“.


Bild v.li.: Bürgermeisterin Marion Schäfer-Blake und Silvana Schneeberger legten bei einer Gedenkstunde der Stadt Würzburg Kränze am Mahnmal für die Opfer der Sinti und Roma nieder. (Foto: Claudia Penning-Lother)

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