UWE-1 aus Würzburg seit zehn Jahren im Orbit

UWE-1 aus Würzburg seit zehn Jahren im Orbit

Eine internationale Studentengruppe an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg stellte sich 2004 unter der Leitung von Professor Klaus Schilling der Herausforderung, einen kompletten Satelliten-Winzling von der Größe einer Milchtüte (ein Kilogramm Masse, ein Liter Volumen) zu bauen.

Dies Projekt zog Studierende aus Japan, Rumänien, Kanada, Indonesien, Italien und Indien an den Main zu den Würzburger Informatikern vom Lehrstuhl für Robotik und Telematik von Klaus Schilling. Nach etwa einem Jahr Bauzeit wurde UWE-1 am 27. Oktober 2005 um 8.52 Uhr mit einer russischen Kosmos-3-Trägerrakete zusammen mit fünf weiteren Satelliten in eine Umlaufbahn in 690  Kilometern Höhe über der Erdoberfläche eingeschossen.

Auftakt nicht ganz reibungslos

UWE-1 war einer von drei Studentensatelliten, die an Bord des SSETI-Express (Student Space Exploration and Technology Initiative) mit Unter­stützung der Europäischen Weltraumorganisation Esa ins Weltall gebracht wurden. Beinahe wäre es jedoch nicht dazu gekommen: SSETI-Express setzte die Kleinsatelliten aus und verabschiedete sich dann mit einem Stromausfall für immer. UWE-1 hingegen lieferte bereits eine Stunde nach dem Start vom russischen Kosmodrom Plessezk die ersten Signale an die Würzburger Bodenkontrollstation.

Neben der technischen Herausforderung der extremen Miniaturisierung eines Satelliten war das wissenschaftliche Ziel von UWE-1 die Durchführung von Telekommunikations-experimenten. Dabei ging es um Möglichkeiten, das Internet auf den Weltraum auszudehnen: Es galt, die gängigen Internet-Protokolle an die erschwerten Bedingungen im All anzupassen. Auf der Erde funktioniert der Transport von Daten im Web sehr zuverlässig, im Weltraum jedoch treten verstärkt Verzögerungen und Störungen auf.

Für die Industrie  diente UWE-1 als Testlabor für hoch ­effiziente Solarzellen, deren Leistungsfähigkeit und Haltbarkeit so direkt im Weltall untersucht wurden und die nun als weltraumerprobte Technik mittlerweile auf vielen europäischen Satelliten Strom erzeugen.

UWE-1 kreist heute noch um die Erde, verstummte aber nach Durchführung der Internetexperimente 2006. Durch die Reibung mit der Restatmosphäre bremst UWE-1 weiter ab, bis er in etwa 15 Jahren abstürzen und dabei komplett verglühen wird.

Pionier der deutschen Pico-Satelliten-Projekte

UWE-1 musste drei Jahre warten, bis der nächste deutsche Pico-Satellit COMPASS-1 aus Aachen 2008 nachkam. Im Jahr 2009 folgten dann UWE-2 und BEESAT (TU Berlin). Zur Würdigung dieser Pionierleistung wird das  baugleiche Testmodell von UWE-1 seit 2012 in der Raum­fahrtabteilung des Deutschen Museums in München ausgestellt. Er wird dort von seinem „Enkel“ UWE-3 begleitet, der mit seinem modularen Aufbau und seiner Robustheit eine neue Satellitengeneration repräsentiert.

Seit seinem Start im November 2013 führt UWE-3 perfekt und ohne jegliche Beeinträchtigung durch die ständig auf ihn hereinprasselnde Strahlung seinen Dienst aus. Und dies, obwohl nur Standard-Elektronikbauteile verwendet  wurden. Eine ausgefeilte Fehleranalyse und –korrektur-Software hält erfolgreich den Betrieb aufrecht. „Wir sind dankbar, dass wir in Würzburg die bahnbrechende Entwicklung der Kleinst-Satelliten ein klein wenig mitgestalten konnten“, sagt Professor Schilling, „allerdings haben die Kleinst-Satelliten mittlerweile einen Reifegrad erreicht, der größtes Interesse der Wirtschaft erregt. Mit den durch  US-amerikanische Risikokapitalgeber finanzierten Firmen kann eine Universität mit ihren begrenzten Mitteln nun leider nicht mehr mithalten.“

Schwerpunkt in der Ausbildung neuer Raumfahrt-Talente

Daher konzentriert sich die Universität Würzburg jetzt auf die Lehre in der Luft- und Raumfahrt, um so den stark nachgefragten Nachwuchs  für diesen dynamischen Arbeitsmarkt in Industrie, Großforschung und bei Raumfahrtagenturen auszubilden.

In bestimmten Nischen, wie kooperierenden Formationen von Kleinst-Satelliten, führt Schilling noch zukunftsträchtige Forschungsaufgaben für die nächste Satellitengeneration am außeruniversitären Forschungsinstitut Zentrum für Telematik (ZfT) fort. Hier verbinden er und seine Mitarbeiter die Raumfahrttechnik mit anderen Zukunftsthemen wie autonom fahrenden Autos und Industrie 4.0:  insbesondere werden die Nachteile der nötigen Miniaturisierung durch aus­gefeilte Software wieder korrigiert.

„Auch die Fernsteuerung und die Sensordatenfusion mehrerer Satelliten, Autos oder Industrieanlagen ist nur durch aufwändige Datenverarbeitung und Telematik möglich. Die leistungs­fähigen Dynamik-Simulatoren des ZfT am Hubland bieten den dafür nötigen Hintergrund, um diese Forschungs­arbeiten auszuführen“, erklärt Schilling.

Raumfahrthochburg Würzburg

Im Gefolge der UWE-Satelliten entwickelte sich Würzburg zu einer Raumfahrthochburg: Seit 2005 läuft im Euro­päischen Elite-Studienprogramm „Erasmus Mundus“ der internationale „SpaceMaster – Master in Space Science and Technology“, der gemeinsam mit fünf europäischen Partner-Universitäten in Kiruna, Toulouse, Prag, Helsinki und Cranfield durchgeführt wird. Auch ist im Würzburger Informatik-Masterstudium der Schwerpunkt Raumfahrt wählbar. Schließlich kann auch nach dem Abitur der Einstieg in den Bachelor-Studiengang „Luft- und Raumfahrt-Informatik“ erfolgen.

Während UWE-1 also mittlerweile ein Museumsstück ist, hat die Forschung für die Uni Würzburg Türen geöffnet, auch in Zukunft exzellente Ausbildung in der Luft- und  Raumfahrt zu ermöglichen.

Weitere Informationen


Bild: „UWE-1“ aus Würzburg seit zehn Jahren im Orbit (Foto: Uni Würzburg)

Vielleicht gefällt dir auch