Herausforderungen für Schießsport-Vereine

Herausforderungen für Schießsport-Vereine

Eine neue Studie von Sportpädagogen der Uni Würzburg verdeutlicht die besonderen Herausforderungen bei der Ausbildung von Jugendlichen im Schießsport. Schießsport-Anfänger zwischen zehn und 14 Jahren hätten laut Studie ein leicht überdurchschnittliches Aggressionsniveau.

Wie verändern sich Jugendliche, die in einen Schützenverein eintreten? Welche Verantwortungen ergeben sich aus den besonderen Eigenschaften des Sportgerätes Waffe für die Trainer und Betreuer? Welche Erziehungsziele verfolgen die Vereine und werden diese auch erreicht? Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Studie, die der Deutsche Schützenbund (DSB) im Jahr 2011 in Auftrag gegeben hatte. Die Vereinigung wollte damit die Qualität ihrer Bildungsarbeit untersuchen lassen.

Die Arbeit der Sportpädagogen am Lehrstuhl für Sportwissenschaft der Universität Würzburg von Professor Harald Lange liefert hierzu ein durchaus gemischtes Bild. Die Untersuchung bestätigt zwar die grundsätzlich hohe Qualität der Arbeit der verantwortlichen DSB-Trainer bundesweit in der Ausbildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, machte aber auch deutlich, dass die Trainer im Schießsport vor besonderen Herausforderungen stehen.

Leicht überdurchschnittliches Aggressionsniveau

„Wir fanden heraus, dass das Aggressionsniveau der untersuchten Jugendlichen ein wenig über dem Durchschnitt der ‚Normalbevölkerung’ lag“, sagte Sportwissenschaftler Lange bei der Abschlusspressekonferenz im Sportzentrum der Universität Würzburg. Zudem konnten die Forscher während der über einen Zeitraum von drei Jahren angelegten Studie feststellen, dass bei einigen Schießsport-Anfängern das Aggressionspotenzial mit zunehmender Zeit und Ausübung des Sports „leicht anstieg“, so Lange.

Der Sportwissenschaftler hat in der Vergangenheit bereits viele sportpädagogische Studien betreut und in diesem Bereich auch als Berater und Autor gewirkt. „Wir haben untersucht, wie sich die Schießsportanfänger persönlich und in der Emotionsregulation veränderten. Dafür betrachteten und testeten wir die Teilnehmer dreimal während eines Zeitraums von 13 Monaten“, sagte Lange. Zum Einsatz kamen unter anderem Online-Fragebögen, psychologische Standardtests, Interviews mit Trainern und Sportlern und Beobachtungen.

Die Studie zeigt jedoch auch, dass überall dort, wo trainingspädagogische Nacharbeit auf hohem Niveau geleistet wird, der Umgang der Jugendlichen mit negativen Emotionen bei Niederlagen oder eigener Unzufriedenheit, verbessert wird. Kinder lernten unter Anleitung, Emotionen zu regulieren und adäquates Verhalten auch in schwierigen persönlichen Situationen zu zeigen. „Schießsport an sich macht nicht aggressiv. Es kommt – wie in anderen leistungs- und wettkampforientierten Sportarten auch – darauf an, wie mit Jugendlichen und ihren Bedürfnissen umgegangen wird“, sagte Lange.

Mehr als nur das Schießen einer bestimmten Ringzahl

Eine gewisse „emotionale Unaufgeräumtheit“ sei ein natürlicher Entwicklungsprozess bei Heranwachsenden, ergänzte Harald Lange. Der Sportwissenschaftler betonte, dass die Bildungsarbeit des DSB in Deutschland gut sei: „Als roter Faden hat sich ergeben, dass der DSB dem sportiv konzipierten Training auch hinsichtlich seines Beitrags zur Stabilisierung junger Persönlichkeiten einen besonderen Stellenwert beimisst.“

„Es ist gut, dass der DSB von diesen Befunden weiß, damit die Bildungsarbeit weiter Rückenwind bekommt“, sagte Professor Lange und ergänzte: „Es sollten bestehende Konzepte weiterentwickelt werden. Dabei sollte der Fokus auf ganzheitlicheTrainingsmethoden gesetzt werden.“ Reflexion solle hier ein wesentlicher Bestandteil sein. „Im Training muss es um mehr gehen, als nur um das Schießen einer bestimmten Ringzahl“, so Lange.

Erkenntnisse der Studie fließen in die Ausbildung ein

Diese Erkenntnis stieß bei DSB-Vizepräsident Hans-Heinrich von Schönfels auf offene Ohren: „Wir haben uns bewusst dieser wissenschaftlichen Untersuchung von einer unabhängigen Institution gestellt. In der Überwindung der kritischen Punkte liegen durchaus Chancen für Schießsport und DSB.“

Nun fließen die Ergebnisse der Studie in die Trainerausbildung des DSB ein. Die Trainer sollten laut von Schönfels in Zukunft befähigt werden, noch intensiver auf die Emotionen der Heranwachsenden eingehen zu können, um positiv auf deren Persönlichkeitsentwicklung einzuwirken.

„Die Arbeit an neuen Weiterbildungskonzepten und –materialien hat bereits begonnen“, sagte Hans-Heinrich von Schönfels, erste konkrete Umsetzungen gebe es 2016. Für die weitere Zukunft sei zudem eine Zertifizierung von DSB-Vereinen denkbar, wenn diese gewisse herausragende Standards in der Jugendarbeit erfüllten, so von Schönfels.

Eckdaten von Studie und Forschungsprojekt

Die Studie hat der DSB im Zuge der Eigenevaluation mit dem Ziel in Auftrag gegeben, die eigene Bildungsarbeit zu bewerten und zu verbessern. Insgesamt 100 Kinder und Jugendliche haben an der Studie teilgenommen. Um eine größtmögliche Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu erreichen, wurde die Universität Würzburg als unabhängiges Forschungsinstitut unter der Leitung von Lange mit der Durchführung beauftragt. Der Sportwissenschaftler und Bewegungspädagoge hat seit 2009 den Lehrstuhl für Sportwissenschaft an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg inne.

Das Forschungsprojekt umfasste drei Teilbereiche. In der Dokumentenanalyse wurden Dokumente zur theoretischen Konzeption der Trainer- und Jugendbildung des DSB gesichtet und ausgewertet. Im zweiten Schritt, den qualitativen Teilstudien, wurde die Umsetzung der in den Dokumenten formulierten pädagogischen Normen und Ziele überprüft. Im letzten Schritt wurden in einer quantitativen Studie Jugendliche im Alter zwischen zehn und 14 Jahren zu ihrer subjektiven Selbsteinschätzung gefragt. Aus den Ergebnissen dieser drei Bereiche haben die Forscher der Julius- Maximilians-Universität Würzburg eine Handlungsempfehlung für den DSB abgeleitet.

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